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Die Transkriptionen der hier wiedergegebenen
Archivalien sind zwar lang, aber für den Interessierten spannend , da sie
einen Einblick in das Arzneimittelwesen des 18. und 19. Jahrhunderts
geben.
Abschrift eines Brief von 1863 Anton und Elise Waller an den bayerischen König, Original im Bayer. Hauptstaatsarchiv (MH 513) Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König und Herr! Betreff. Allerunterthänigst treugehorsamste Bitte der Geschwister Anton und Elis Waller, gemeinschaftliche Besitzer des Anwesens Nr. 10 in der Maistraße (Anmerkung: in München) dahier, um allergnädigste Genehmigung " den früher priviligierten Blutreinigungsbalsam bereiten und durch die Apotheken wieder verkaufen zu dürfen" (:mit 6 Beilagen. 12 fl baar und 1 glas Balsam) Die alleruntertänigst treugehorsamst Unterzeichneten wagen es in allertiefster Ehrfurcht Eure königliche Majestät allerunterthänigst treugehorsamst zu bitten: den durch älteste Urkunden früher priviligierten Gußetschen resp: Graggoschen Blutreinigungs-Balsam bereiten und durch die Apotheken wieder verkaufen zu dürfen und glauben, diese ihre allerehrfurchtsvolste Bitte mit folgenden Motiven begründen zu können. Schon unterm 7.ten Februar 1738 (:vide Beilage A:) geruhten seine Majestät Kaiser Carl Vi dem Valentin Gußet Bürger und Materialisten in München auf Grund beigebrachten Begutachtungs-Zeugnißes des chur-bayerischen Leibmedici de dato 13.ten November 1737 ein allergnädigstes Privilegium auf 10 Jahre dahin zu ertheilen, daß er den von ihm erfundenen Blutreinigungs-Balsam im ganzen deutschen Reiche und den übrigen Erbstaaten verkaufen und feil haben dürfe, mit der Sicherung, daß Niemand denselben öffentlich oder heimlich zu verkaufen berechtigt sey. Ein gleiches Privilegium wurde demselben auch auf Gutachten des Churbayerischen Collegi medici von seiner Durchlaucht dem Churfürsten Carl Albrecht unterm 1.ten April 1740 (:vide Beilage B) dem Valentin Gußet ertheilt und dabei noch genehmigt, seinen Wunderbalsam mit churbayerischen Wappen zu bezeichnen, um etwaige Verfälschungen oder Nachahmungen leichter entgegentreten zu können. Vom benannten Gußet ging die Bereitung etc. dieses Balsams auf den Peter Graggo übeer, weil dieser gegen Ehelichung seiner Tochter Dominica dessen Geschäft übernommen und die Erzeugung dieses Geheimmittels erlernet. Nach dem Tode seines Schwiegervaters hat Peter Graggo um ein weiteres Privilegium auf sein.en Namen nachgesucht und auch ein solches auf weitere 10 Jahre von seiner Majestät Kaiser Franz I unterm 4.ten März 1761 (:vide Beilage C) erhalten. Vom Peter Graggo ging die Bereitung und er Verkauf dieses berühmt gewordenen Balsams auf seinen Sohn Xaver Graggo über, welcher sich auf diese ausschließliche Erwerbsquelle laut Heirats-Lizenz des Churfürstlichen Hofober-Amtes des dato 6.ten Oktobers 1801 (:vide Beilage D:) verehelichen durfte, da das anderweitige Materialisten-Geschäft schon dessen Vater Peter Graggo abgegeben hatte. Nach dem Ableben des Xaver Graggo hat die Witwe Gertraud, geb. Gugg die Bereitung und den Verkauf dieses viel gesuchten und mehr verbreiteten Balsams fortgeführt und sich mit Georg Waller Aufschlagsbeamtensohn von München verehelicht, und dieser hat sich nach Ableben seiner Ehefrau Gertraud mit Theres Gugg Schifferstochter von Laufen wieder verehelicht; sonach sonach sind Letztere die Eltern der allerehrfurchtsvollst unterzeichneten Bittsteller. Bis zum Vollzug der Verordnung vom 13. Mai 1838 haben unsere Eltern den mehrerwähnten Balsam ungehindert bereitet und verkauft, welches schon daraus hervorgehen dürfte, daß diese alleinige Erwerbsquelle - denn ein Nebengeschäft war nicht mehr vorhanden - zweimal die AnsäßigmachungsTitel und dreimal die Verehelichungs-Bewilligungen ertheilt wurden. Auf Grund der oben angeführten Verordnung vom Jahre 1838 wurde unserer Mutter der Verkauf dieses Balsams wohl beanstandet, allein. weil dieselbe mit sechs unmündigen Kindern keine andere Erwerbsquelle hatte, indem sie sich auf diesen Erwerbstitel verehelichte, so wurde auch auf ihre Vorstellungen beim Magistrat und Armenpflegschaftsrath und auf Grund der mehrfachen sanitätlichen Untersuchungen dieses Geheimmittels, welches stets ein befriedigendes Resultat über dessen Nutzen und Wirksamkeit ergeben haben - ein positives Verbot auch nicht erlassen. In dem Jahre 1852 haben die Apotheken von München eine Ausschreibung erlassen, daß sie nun den Verkauf der früher bewilligten Geheimmittel bewerkstelligen und Depots übernehmen. Auf Anregung hat unsere am 6.ten November verstorbene Mutter den noch immer sehr gesuchten Balsam im Depot der Theresien-Apotheke dahier überlassen, und es hat sich auf dieses Verfahren immer eine größere Nachfrage ergeben. Dieser Verkauf durch die Apotheken hat unbeanstandet seinen Fortgang genommen bis zum Jahre 1857, wonach zu Folge Beschluß der k. Polizei-Direction München de dato 4.ten September 1857 den allerehrfurchtsvollst Unterzeichneten der weitere Verkauf dieses Balsams verboten wurde. Seit dieser Zeit wird nun ungeachtet vieler Nachfragen und Bestellungen dieser Balsam nicht mehr bereitet und verkauft. Nachdem die Bereitung und der Verkauf dieses Geheimtitels durch unsere Privilegien schon sanktioniert war, durch oftmalige Untersuchungen der Medicinal-Collegien etc. dargethan ist, daß dieser Balsam keine schädlichen Bestandteile enthalte, (:vide Beilage D:) durch dessen 120-jähriges Bestehen und der steten Nachfrage nachgewiesen sein dürfte, daß er als ein sehr heilsames Blutreinigungsmittel-Mittel gebraucht werden kann, und auch zur Hausapotheke innerlich und äußerlich sehr dienlich ist, so glauben die aller unterthänigst unterzeichneten Relikten auf Grund der Verordnung vom 17. Mai d. Jrs. die allerehrfurchtsvollste Bitte stellen zu dürfen, es wolle ihnen: die Bereitung dieses Balsams nach der in der Beilage F angegebenen Weise gestattet, der Verkauf durch die Apotheken um den Kostenbetrag von 18 Xn per Fläschen unter dem Namen - Graggoscher Blutreinigungs- und Hausbalsam - wieder allergnädigst genehmigt werden, und unterbreiten in Betrachtnahme dieser Verordnung Zwölf Gulden baar als Kosten-Vorschuß und ein Fläschen dieses Balsams. Bei den gelieferten Nachweisen und Motiven glauben die allerehrfurchtsvollst unterzeichneten sich der Hoffnung hingeben zu dürfen und ersterben in allertiefster Ehrfurcht Eurer Königlichen Majestät! München, den 20.ten Juni 1863 / Anton, Elise Waller
Beschreibung des Graggoschen Blutreinigungsbalsams (Abschrift) Titelseite: Kaiserliches Wappen, Königliches Wappen, Münchner Wappen Mit Röm. Kaiserl. Majest. wie auch von Ihro königl. Majestät in Baiern privilegiert und begnadeter Blutreinigungs-Wunder-Balsam bey schwerer Strafe nicht nachzumachen. Welcher bey mir, Joh. Peter Graggo, sel. Wittib, Bürgerin und Materialistin nebst hinterlassenen Erben, zu München im Landschaftsgässel Nro. 120 in der Schneider Auerschen Behausung über 4 Stiegen gerade herüber vom Filserbräu in der Weinstrasse zu haben ist. Kurze Beschreibung, und Unterrichtung dieses kostbar- und vortrefflichen Wunder- und Blutreinigungsbalsam, womit verschiedenen Personen, vermög. aufzuweisenden Attestaten, in nachfolgenden, und mehrern Zuständen geholfen worden ist. Erstens, eröffnet selber, den verstopften Leib, und alle Luftröhre, führt alle Säure, und Feuchtigkeiten aus, erfrischet, und macht ein guter Gebluet. Zweytens, treibt er alle im Leibe verschlagenen Winde, den Sand und Gries durch den Urin, unvergleichlich ohne Schmerzen, ist auch für die Colica und Grimmen dienlich. Drittens, denen, so der Magen erkaltet, verschleimt, und unrein haben, daß keine Speise mehr drin verkochet, und bleibt, erwärmt dieser Balsam denselben, reinigt diesen, führt den Schleim aus, und macht wieder einen guten Magen, daß er auch die Speisen verdauen, und bey sich behalten kann. Viertens, dient dieser den Weibspersonen, und reinigt die Mutter und das Gebluet, er hat auch besonders in gewissen Zuständen, welche sich nicht ausdrücken lassen, vielfältig geholfen, welches mit lebendigen Zeugen kann bewiesen werden. Dieser Balsam ist auch für den Magenkrampf sehr vortrefflich, welcher viele Proben gemacht hat. Fünftens vertreibt er bey alten und jungen Leuten die Würme, ist auch in der Dysenterie oder rothen Ruhr dienlich. Dieser Balsam ist gleichsam für inkurable innerliche Zustände, wie dann mit der Hülfe Gottes mit solchem die Probe ist gemacht worden. Erstens, bey einer gewissen Weibsperson allhier in München, 56 Jahre ihres Alters, aus Unreinigkeit des Magens, war das Geblüt gleichsam völlig abgestanden, sie hatte aber nach Gebrauch dieses Balsams die Gesundheit erhalten. Zweytens, einem gewissen Kammerdiener bey einem Hrn. Prälaten, welcher an Sand und Gries dergestalt gelitten, daß von ihm 4 bis 5 Tage kein f.v. Urin gegangen, nach Gebrauch dieses Balsams hat er in wenigen Stunden seine Eröffnung erhalten, und gute Wirkung gezeigt. Drittens bey einem Handelsbedienten in Augsburg, auf welchen ein geladener Wagen gefallen, daß ihm der halbe Leib mit Blut unterlaufen gewesen, auch wurde seine Brust beschädigt, und also ihm das Husten verursachte; da er aber diesen Balsam 6 bis 7 Tage lang gebrauchte, hat er seine vorige Gesundheit erhalten. Viertens, einem Kammerdiener zu Köln, welcher 9 Jahre mit einem Zustande behaftet gewesen, der auch unterschiedliche Mittel gebraucht, aber niemals keinen Effekt gespürt, und vielleicht Niemand seinen Zustand erkennte, durch Gebrauch dieses Balsams ist solches erkannt worden, weil sich auf der Brust ein verstocktes Geblüt gesetzt, welches verursachte, daß der Magen weder Speis noch Trank annahm; solches verstocktes Blut aber ist nach Gebrauch dieses Balsams in etlichen Tagen auf dem Magen ganz leicht erhoben worden, worauf er seine Gesundheit wieder bekommen hat. Nicht weniger haben zwey Herren im Unterlande Baiern die Kraft und Wirkung dieses Balsams erfahren, da dieser einem von dem Stein, dem andern von Sand und Gries, samt vielen andern um gedachte Revier in unterschiedlichen Umständen in dem Jahre 1759 geholfen, und befreyet hat. Im Jahre 1783 ist ein gewisser Bürger hier in München, welcher mit Blutgebrechen behaftet war, daß kein Mittel mehr verfangen wollte, nach Gebrauch dieses Balsams in kurzer Zeit wieder völlig hergestellt worden; es ist aber zu wissen, daß dieser Balsam unter währendem Brechen nicht darf eingenommen werde, sondern erst, wenn sich das Blut wieder gestillet hat. NB. Obschon dieser Wunder- und Blutreinigungsbalsam nach Gedünken im Geschmack sich nicht erzeigt, wiewohl viele kostbare Ingredienzien dazu genommen werden; so ist doch solcher in seiner Wirkung sehr gut, wie die Probe mehrers geben thut, mithin dann Gott wunderbar seine Gnaden und Geheimnissen den Menschen ertheilet. Und ob zwar dieser Balsam über die obgemelten Zustände auch noch mehrere Proben gemacht, will man es doch für dießmals beruhen lassen; indem jeder, der diesen durch etliche Tage würde gebraucht haben, einen mehrern Effekt davon finden werden, weder man vorschreiben will, dabey ist zu merken, daß er keinem Menschen schädlich, sondern zu Erhaltung der Gesundheit dienlich ist. Der Gebrauch ist für mannbare Leute 15 bis 20 Tropfen auf einen Eßlöffel in Thee, Wein, oder warmen Suppen in der Frühe, auch auf die Nacht zu nehmen; für junge Leute 7 bis 8 Tropfen, auch muß diese etliche Tage fortgesetzt werden, es macht Niemand die mindeste Ungelegenheit , wenn man auch schon nicht zu Hause verbleibt. NB. Zur Nachricht dient, daß mein so gerecht- und kostbarer Balsam durch ein Concilium medicum geprüft, und für ächt befunden, auch mit einem kaiserl. und königl. allerhöchsten Privilegio ist begnadet worden. NB. NB. Nachdem ich von meinem Schwiegervater Valentin Gusseti sel. diesen Balsam nachzumachen erlernet, hievon seither viele loben gemacht habe, und alleinig die wahre Besitzerin von diesem Arcanum bin, als manche zu wihssen, daß sich einige unterstehen, ohne Privilegium, oder Wissenschäft diesen meinen gerechten Balsam verfälschen, und nachzumachen, auch sich erfrechen, diebischer Weise diesen unterm Valentin Gussettischen Namen zu verkaufen, hierdurch aber den Nebenmenschen betrügen, den Kranken und Presthaften den größten Schaden um so mehr zufügen. Damit aber künftighin durch dergleichen vermeinten Balsam Niemand möge betrogen werden, dient zur Nachricht, daß mit gnädigster Erlaubniß unter die kais. und kön. auch die münchnerischen Stadtwappen, worunter ich meinen Namen habe stechen lassen, damit auf ander Gläslein, wo besagte drey Wappen nebst meinen Namen nicht zu finden sind, kein Glaube beyzumessen, sondern für falsch anzusehen seyen. NB. Zur Nachricht dient, daß auf den Gläseln, nämlich auf den kleinen Zetteln zu lesen ist: Gerecht zu finden bey Johann Peter Graggo, sel. Erben in München im Landschaftsgäßchen
Stand: 26.04.02 |
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